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flugzeug voller wassermelonen

Ein Flugzeug voller Melonen

Bevor ich Mutter wurde wusste ich ehrlicherweise nicht, was auf mich zukommt. Steht ja in keinem der unzähligen Ratgeber, die ich nie gelesen habe. Ich denke, auch die meisten anderen Mütter über- und unterschätzen, was sie erwartet. Und wenn wir es wirklich wüssten, wäre die Menschheit vermutlich ausgestorben.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich liebe meine Kinder über alles. Ich habe auch mein Leben „vor ihnen“ sehr geliebt. Ich habe es nie als meine Aufgabe gesehen, die Menschheit zu reproduzieren. Wir Frauen sind einfach viel mehr. Ich sehe es als Glück, diese beiden in meinem Leben zu haben. Und in ihrem zu sein. 

Mit sleek geputzten Wohnungen, instagramfähigem Frühstück, Biobrei und Montessori-Pädagogik daheim hat das aber nichts zu tun. 

Im Gegenteil. Wenn ich persönlich über meinen Alltag als Mutter nachdenke, fällt mir ein passender Buchtitel ein: „How to do it not.“ Weil ich nichts von dem getan habe, dass ich mir vorgenommen habe und alles ganz anders gemacht habe – oft auch falsch. Aber es für uns genau der richtige Weg war.

Uns – das sind wir drei: Meine Zwillinge Frederik und Florentine, bald 6 Jahre alt, und ich. Obwohl, mittlerweile sind wir nicht mehr „die drei Muskeltiere“, wie wir uns früher genannt haben. Wir haben unerwarteten Familienzuwachs bekommen. In Form von Daniel, einem wunderbaren Mann und „Herzenspapa“, wie meine Tochter sagt. Wobei ich gleich zu der Geschichte mit diesem Flugzeug komme. Und unserem Weg.

Als ich letztes Jahr kinderfrei – also nur mit Daniel – einen auf Lovebird gemacht habe und in Griechenland bei 45 Grad im Schatten darüber gejammert habe, dass es 45 Grad im Schatten hat und ich mir dachte: Dann sitz halt nicht im Schatten und du sparst dir das Geraunze … Anyway, ich verliere den Faden, habe ich mit meinem Sohn Fredi, besser bekannt als der Chef, telefoniert. Er meinte: „Mama ich will zu dir! Und ich komme zu dir in einem Flugzeug voller Melonen.“ Die Vorstellung hat mich trotz der Hitze amüsiert. Und irgendwie hat er ja Recht. Unser Weg ist immer ein besonderer, warum nicht auf ein außergewöhnliches Transportmittel zurückgreifen.

Denn der Weg einer Familie ist immer individuell – und jede:r geht damit anders um.  

Ich am liebsten ehrlich. Denn für mich liegt das Mutterglück liegt irgendwo zwischen Burn-out und Bore-out. Zwischen einem stressigen Arbeitsalltag, um den lieben Kleinen das Bestmögliche zu ermöglichen und dabei nicht in Wäschebergen unterzugehen, während das Nicht-Bio-Abendessen noch nicht zubereitet ist und dem gähnenden Gefühl der Langeweile, wenn ich dann endlich Zeit für mich habe und nicht mehr weiß, wie ich sie nützen kann. 

Was mir nicht geholfen hat sind die unzähligen Erziehungsratgeber. Nicht schreien, sanfte Pädagogik, alles entspannt, uns geht’s ja so super und wenn mein Kind einen Tobsuchtsanfall hat, dann lächle ich ihn weg und gebe dem Kind nichts als Liebe. Geh bitte. Ich gebe mir nichts als Prosecco und versuche zu vermeiden, dass die Nachbarn denken, meine Kinder würden schwere Qualen erleiden. „Wenn du immer so schreist, hast du bald keine Stimme mehr,“ hat der Nachbarsbub mal gesagt. Und auch, dass er mich versteht.

Versteht in einer Welt, wo eine Vierjährige mit glutenfreien Bio Haferkekserl belohnt wird. Eine Bestrafung, wie ich meine. Ich werde es nie vergessen. Dieses langgezogene „Aaaaaastrid, zur Belohnung darfst du so viele glutenfreie Bio HaferTALER essen, wie du mööööchtest!“ Ich war damals mit den Kids, drei Jahre alt, am Spielplatz. Aufmagaziniert mit Gummibärli, Knabbernossi (keine Werbung), Himbeersaft und Schokomuffin. Nach diesem „Aaaaaastrid, zur Belohnung darfst du so viele glutenfreie Bio HaferTALER essen, wie du mööööchtest!“ habe ich nur gesagt: „Kommt’s, ihr zwei, wir gehen in einen anderen Park.“

Und wie erwartet. Am Spielplatz meines Vertrauens waren sie. Die ebenso entnervten Mamis, die ihre Kids mit Gummibärli, Knabbernossi (keine Werbung), Himbeersaft und Schokomuffin versorgten und ihre eigenen Nerven mit Prosecco stärkten. Die auch mal sagen: „Ma bitte nerv mich nicht immer“ … Und man weiß nicht, ob sie ihre Männer oder ihre Kids meinen. Ich kenne sie beim Brüllen, beim Umarmen, beim Kuscheln, beim Liebhaben. Sie, diese ehrlichen, auf sich selbst achtenden Mütter, sind für mich die besten der Welt und würden für ihre Kinder alles tun. So wie wir es alle tun, sobald diese kleinen Menschen unsere Herzen gewinnen. Und das tun sie ja sofort. Das hilft mir mehr als jeder Erziehungsratgeber: zu sehen, dass diese Kinder glücklich sind – und ihre Mütter auch. 

Glücklich abseits des Wunderlands, das in Erziehungsratgebern beschrieben wird. Und auf Blogs! Auf den unzähligen Insta-Accounts, die mir eine Welt in Rosétönen zeigen, die ich bisher noch nicht für mich entdeckt habe. Faszinierend, dass diese Kinder niemals einen Gatschflecken am akkurat gebügelten Leinenhemd haben. I don’t get it. Und wie diese Wohnungen immer aussehen. Wer lebt da wirklich? Und warum lächeln die alle? Immer?

Reden wir doch mal darüber. Und wenn ihr nicht wollt, schreibe ich. Ich mache mal den Anfang und erzähle euch gerne, wie oft ich mich einsam gefühlt habe, depressiv, verzweifelt, gelangweilt. Und immer verliebt. Ja, in meine Kinder. Das war immer so und das wird immer so sein. Nur. Das wunderbare Bild der heiligen Mutter mit ihren Kids am Arm, immer lächelnd, immer gut gelaunt, das gab es nie auf meinem Insta-Account. Das wäre meine persönliche Version vom Denver Clan, einfach erlogen. Ich frage mich immer … Sind die alle auf irgendeinem Zeug, das mir so viel zu stark wäre? Ich gebe zu, dass es manchmal echt ein Horror ist mit den Zwillingen. Ich genieße die Stille, wenn ich mit meinen Noise Cancellation Kopfhörern dasitze und kurz den Ignore-my-Kids-because-it’s-fine-Modus aktiviere. Und dennoch bereue ich nichts. Außer ein Mal. Dieses eine Mal, als ich es bereut habe, Mutter zu sein. In dem Moment, als ich die beiden erstmals gesehen habe und gewusst habe: Ich werde immer Angst um euch haben. Weil ihr für mich einfach alles seid. Und ich euch unendlich liebe. Und es eine Liebe ist, die so stark ist, dass sie beinahe weh tut.

Seither habe ich es nie bereut und war abwechselnd verzweifelt, genervt, überglücklich und begeistert. So ist das eben in einem Flugzeug voller Melonen – es ist eine amüsante, ehrliche Reise voller Höhenflüge mit langen Tagen und kurzen Jahren, Freude, die wächst und Sorgen, die einfach nicht kleiner werden, Startschwierigkeiten und Turbulenzen. Und den Hauptprotagonist:innen Fredi und Flori.